«Biete nur Leistungen innerhalb deiner Fachkompetenz an»
Baumängel verschlingen jedes Jahr in der Schweiz Millionen von Franken. ETH-Forscher publizieren nun ein Handbuch, mit praktischen Ratschlägen, wie solche Mängel vermieden werden könnten.
Im Durchschnitt weist jedes Bauwerk 15 wesentliche Mängel auf. Sacha Menz, Professor für Architektur und Bauprozess, hat zusammen mit Oliver Kriebus in den letzten drei Jahren 1000 Neubau-Projekte untersucht. Nächste Woche erscheint nun das Handbuch «Mängel im Hochbau». Darin quantifizieren und kategorisieren die beiden Autoren die häufigsten Mängel und zeigen auf, wo diese entstehen. Zudem haben sie mit allen beteiligten Parteien intensive Gespräche geführt und wissen deshalb, wo Handlungsbedarf besteht. Im Handbuch geben die Autoren deshalb auch Auftraggebern, Planern, Bauleitern und Unternehmern handfeste Ratschläge. ETH Life spricht mit Sacha Menz über ein Thema, das fast alle Mieter, Immobilienbesitzer und Bauherren aus persönlicher Erfahrung kennen.
ETH Life: Für 2010 beziffern Sie die
Kosten, die allein im Wohnungsbau durch Mängel entstehen, auf rund 1,6 Mia.
Schweizer Franken. Wird am Bau zu viel gepfuscht?
Sacha Menz: Nein, es geht nicht um Pfusch, sondern um mangelnde Ausbildung und
fehlende Kompetenzen. Die einzelnen Bauteile wurden immer komplexer.
Materialfehler sind praktisch unerheblich, weil die Industrie in der Regel gute
Produkte auf den Markt bringt. Die Probleme entstehen aber oft dort, wo zwei
Teile miteinander verbunden werden.
Oft wird der ausführende
Handwerker für Baumängel verantwortlich gemacht – stimmt diese Einschätzung?
Nein, das darf man nicht so stehen lassen. Unsere Untersuchung zeigt
deutlich, dass alle am Bau Beteiligten für Mängel verantwortlich sind. Bisher
hat man bei Analysen den Bauherrn immer ausgeklammert. Heute wissen wir, dass
auch er verantwortlich ist, wenn Baumängel entstehen. Der Bauherr muss
Schwerpunkte setzen: Will er seriös umgesetztes Handwerk haben, braucht es eine
längere Vorlaufzeit in der Planung oder weniger Zeitdruck in der Bauphase.
Wo entstehen die meisten Mängel
und warum?
Zwei Drittel der Mängel haben mit Feuchtigkeit zu tun. Der Knackpunkt
beim Bauen ist demnach meistens die Hülle. Diese hat sich – nicht zuletzt aufgrund
der Anforderung an den Energieverbrauch – enorm entwickelt. Dabei ist sie
komplexer geworden, was natürlich das Risiko für Fehler erhöht.
Hat Sie etwas bei Ihrer
Untersuchung überrascht?
Wirklich überrascht war ich von der mangelnden Qualität der
Ausschreibungen. Oft ist gar nicht mehr klar, was bei einem Bau gefordert ist.
Die Ausschreibungen gleichen einer Wunschliste, die darin enthaltenen Posten
sind mehr oder weniger optional. Zudem werden bei der Wahl des Unternehmers
kaum Referenzen eingeholt. Ich wage zu behaupten, dass kaum ein Bauherr sich die Fenster
bei einem anderen Bauvorhaben ansieht und sich fragt, ob dieser Unternehmer
überhaupt die Kompetenzen für das eigene Bauprojekt hat.
Was kann man tun, um möglichst
viele Baumängel zu vermeiden?
Den Königsweg gibt es nicht, sondern nur viele Faktoren, die eine Rolle
spielen. Da ich selber Architekt und Planer bin, möchte ich ein Beispiel aus
diesem Bereich nennen: Wir müssen wieder lernen und weitervermitteln, wie man
korrekte Pläne zeichnet. Der Plan ist unser Kommunikationsmittel, mit dem wir den
anderen Beteiligten mitteilen, wie wir uns einen Bau vorstellen. Wir haben
festgestellt, dass an diesem Punkt viele Missverständnisse entstehen.
Verständliche Pläne zu zeichnen, ist eine ernst zu nehmende Leistung, die auch
entsprechend vermittelt werden muss.
Muss auch die ETH dies in der Ausbildung
berücksichtigen?
Ja, wir müssen bei unsern Studierenden das konstruktive Gewissen stärken.
Alle Professoren des Departements Architektur haben beschlossen, dass die
konstruktive Kompetenz ein wesentlicher Baustein der Basisjahre sein muss.
Wie sind Sie dazu gekommen, aus
Ihrer wissenschaftlichen Studie über die Mängel im Bauwesen ein Handbuch
zusammenzustellen?
Zusammen mit dem Baumeisterverband haben wir entschieden,
Ergebnisse aus der Doktorarbeit von Oliver Kriebus auf ein Handbuch herunterzubrechen und in praktische Ratschläge umzumünzen. Insbesondere Werner Messmer,
Präsident des Schweizerischen Baumeisterverbands, hat das Projekt stark unterstützt.
In der Branche haben alle längst erkannt, dass Baumängel ökonomisch ein wichtiger Faktor sind, das
Verhältnis zu den Bauherren trüben und
somit den Ruf des Baugewerbes schädigen.
«Biete nur Leistungen innerhalb deiner Fachkompetenz an»:
Bei einigen Tipps im Handbuch staunt der Leser – sind solche Dinge nicht
selbstverständlich?
Wir haben nichts Neues erfunden, aber wir machen so viele Gutachten an
unserer Professur, dass wir ein genaues Bild davon haben, was tatsächlich auf
dem Bau passiert. Eigentlich weiss jeder, was er zu tun hat, aber bei Mängeln wird
die Verantwortungen hin und her geschoben. Ein Beispiel: Jeder Architekt weiss,
dass er einen Vertrag haben sollte, bevor er mit der Planung anfängt. In Tat
und Wahrheit arbeiten viele
lange Zeit in vertragslosem Zustand.
Was erhoffen Sie sich vom
Handbuch?
Acht Prozent der Ausgaben beim Bauen werden dazu verwendet, Mängel zu
beheben. Wenn wir es schaffen, den Anteil auf sieben Prozent zu senken, dann
hätten wir schon viel erreicht.
Buchvernissage
Am 9. Juli findet um 17.30 Uhr die Buchvernissage für das Handbuch
«Mängel im Hochbau» im Hauptgebäude der ETH Zürich im Audimax (HG F 30) statt.
Nach den beiden Inputreferaten von Werner Messmer, Zentralpräsident des
Schweizerischen Baumeisterverbands, und von Professor Sacha Menz findet eine
Podiumsdiskussion mit verschiedenen Experten auf dem Gebiet statt. Anmeldung
zur Vernissage bitte unter: veranstaltungen@baumeister.ch
Sacha Menz, Oliver Kriebus: Mängel im Hochbau – Empfehlungen für
Ausführende und Entscheidungsträger, SBV, 2013, ISBN: 978-3-9524170-0-3, Preis: 48.00 CHF
Das Buch ist ab dem 10. Juli beim SBV erhältlich.
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