Erfolgsfaktor gesundes Personal
Die Abteilung Gesundheitsforschung und Betriebliches Gesundheitsmanagement (Public and Organisational Health, POH)von ETH und UZH erforscht den Zusammenhang von Arbeit und Gesundheit. Ihr Weiterbildungsprogramm besteht seit 20 Jahren. POH-Leiter Georg Bauer zieht Bilanz und blickt in die Zukunft.
Die Abteilung
POH und ihre Vorgängereinrichtung wirken seit 20 Jahren in die Gesellschaft
hinein. Wie hat sich der Einfluss der Arbeitsbedingungen auf Gesundheit und
Wohlbefinden in dieser Zeitspanne verändert?
Georg Bauer: Die Veränderungen sind enorm. Wir haben uns von einer
Produktions- zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft gewandelt und erleben,
wie die Globalisierung den Konkurrenz- und Veränderungsdruck steigert. Arbeit
muss immer schneller und dichter erledigt werden, sonst wandert sie womöglich
ab in günstigere Märkte. Die Informationstechnologie verstärkt den Trend, dass sich
die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben auflösen.
Das psychische und soziale Gleichgewicht kommt bei alldem unter grossen Druck.
Es überrascht deshalb nicht, dass wir eine Zunahme der mit Arbeit verbundenen
psychischen Erkrankungen beobachten. In der Konsequenz hat sich die
Forschungsperspektive von der einzelnen Person auf die Gesamtorganisation verschoben,
in der arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme entstehen.
Burnouts scheinen an
der Tagesordnung zu sein, «Stressmanagement» ist geradezu ein Modebegriff
geworden. Was machen die Arbeitgeber falsch?
Sie reagieren viel zu wenig entschlossen auf die Stressursachen in ihren
Unternehmen. Mitarbeitendengesundheit heisst weit mehr als das Vermeiden physischer
Erkrankungen. Psychosoziale Faktoren, also die psychische Beanspruchung und das
soziale Umfeld, können genauso «krank» machen wie physische oder chemische Belastungen
– aber im positiven Fall auch zu hoher Leistung und Engagement führen. Es ist
an der Zeit, sowohl negative wie positive Arbeitsbedingungen systematisch zu
analysieren und zu optimieren – die Instrumente dafür sind vorhanden. Für
Betriebe, die das tun, zahlt es sich aus.
Wie konkret?
Man schätzt, dass in der Schweiz arbeitsbedingten Gesundheitsprobleme
mehrere Milliarden Franken Absenz- und Behandlungskosten verursachen. Viel
entscheidender ist aber die Leistungsfähigkeit der anwesenden Mitarbeitenden.
So konnten wir mit Schweizer Daten zeigen, dass Mitarbeitende, bei denen hohe
Arbeitsbelastungen wie Zeitdruck und unklare Rollen durch zentrale Ressourcen
wie Anerkennung, soziale Unterstützung und Autonomie bei der Arbeit aufgewogen
werden, rund zehn Prozent mehr leisten. Eine grosse Studie in Deutschland mit
Daten aus 300 Betrieben sagt aus, dass das Ausmass an Mitarbeiterorientierung,
also offene Kommunikation, Gerechtigkeit und Wertschätzung sogar rund 30
Prozent der Performanceunterschiede der Betriebe erklären konnten.
Sie erwähnen die
sozialen Faktoren. Sind Gesundheit und Krankheit also nicht naturgegeben,
sondern abhängig von der Gesellschaft, in der wir uns bewegen?
Ja, was und wer als gesund oder krank gilt, ist gesellschaftlich beeinflusst.
Genügte Betrieben früher oft der Erhalt der physischen Arbeitsfähigkeit,
brauchen sie heute mental belastbare, hoch motivierte, flexible und sozial
kompetente Mitarbeitende. Das vielbeachtete Phänomen des Burnouts spiegelt den
Trend, dass heute von vielen Menschen erwartet wird, als «Ich-AG» im Betrieb maximale
Eigenverantwortung zu übernehmen und dabei eigene Leistungsgrenzen zu überschreiten.
Der resultierende Stress steigert die Gefahr für Depressionen, Herzkreislauferkrankungen,
Störungen im Bewegungsapparat etc. Um das zu verhindern, braucht das
Arbeitsleben ein Gleichgewicht von Leistungsorientierung und Förderung nachhaltiger
Leistungsfähigkeit und Gesundheit.
Wie haben Sie in
Ihrem Bereich Gesundheitsforschung und Betriebliches Gesundheitsmanagement auf
diese Entwicklung reagiert?
Mit Forschung, Beratung von Betrieben und gezielten Weiterbildungsangeboten,
welche diese neuen Entwicklungen aufnehmen. Uns geht es darum, dass Betriebe das
Verbesserungspotential erkennen und handeln können. So entwickeln wir einen
Gesundheitsindex, der auf Basis von niederschwelligen Mitarbeitendenbefragungen
die wichtigsten Arbeitsbelastungen und -ressourcen aufzeigt. Zudem haben wir
ein Workshopformat entwickelt, in dem Führungskräfte mit ihren Teams auf Basis
dieser Ergebnisse realisierbare Lösungen erarbeiten können.
Im Sommer 2014 wird
die Abteilung POH ganz in das Institut für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität
Zürich (ISPMZ) integriert. Ändert sich dadurch etwas an der Ausrichtung?
Nicht grundsätzlich. Die beiden Hochschulen sind überzeugt,
dass Forschung und Lehre im Bereich Arbeit und Gesundheit idealerweise an einer
medizinischen Fakultät betrieben und entwickelt werden. Dies ist mit der
Übernahme des ETH-seitigen Teils der POH durch die UZH gewährleistet. Die
Abteilung ist im ISPMZ fachlich gut eingebettet, und es besteht
Synergiepotential mit anderen Public Health Bereichen. Die Forschung und
Weiterbildungsprogramme werden sich wie bisher an den Bedürfnissen der
Erwerbsbevölkerung und der Unternehmenswelt orientieren.
Weiterhin Lehrangebote für ETH-Studierende
Der Gesundheits- und Arbeitswissenschaftler Georg Bauer leitet
als Privatdozent seit 2006 die Kooperationsabteilung Gesundheitsforschung und Betriebliches
Gesundheitsmanagement (Public and Organisational Health, POH)
von ETH und Universität Zürich. Ab 1. Juli 2014 wird der ETH-seitige Teil der
Abteilung POH, der bisher von der arbeits- und organisationspsychologischen
Professur von Prof. Theo Wehner (Departement Management, Technologie und
Ökonomie) getragen war, an das Institut für Sozial- und Präventivmedizin
(ISPMZ) der Universität Zürich transferiert. Das Gebiet der Ergonomie wird im
ETH-Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie weitergeführt.
Die
ETH Zürich unterstützt die POH auf längere Sicht finanziell, und
ETH-Studierende werden durch massgeschneiderte Lehrveranstaltungen weiterhin von
der POH-Forschung profitieren.
Das gemeinsam mit dem Institut Santé au Travail Lausanne angebotene
Doktoratsprogramm sowie der aktuell im zehnten Durchgang laufende Weiterbildungsmaster «Arbeit
+ Gesundheit» werden ebenfalls an der UZH weitergeführt – letzterer in
Form eines Weiterbildungsdiploms.
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