Veröffentlicht: 09.12.09
Alumni Business Dinner

Lernen aus der Krise

Die Finanzkrise hat die Bankenwelt massiv erschüttert. Welche Lehren aus den letzten Monaten gezogen werden müssen, erläuterte der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im Gespräch mit ETH-Professor Hans Gersbach. Höhere Eigenmittel, ein diszipliniertes Risikomanagement und eine ganzheitliche Sichtweise gehören für ihn zu den wichtigen Punkten, die es künftig zu beachten gilt.

Felix Würsten
Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, war zu Gast beim Alumni Business Dinner an der ETH Zürich. (Bild: Deutsche Bank)
Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, war zu Gast beim Alumni Business Dinner an der ETH Zürich. (Bild: Deutsche Bank) (Grossbild)

Es war ein hochkarätig besetztes Business Dinner, mit dem ETH Alumni das 140-Jahr-Jubiläum der Ehemaligenvereinigung abschliessen konnte: Kein geringerer als Josef Ackermann, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank, sprach am Montagabend im Dozentenfoyer über die Lehren aus der Finanzkrise. Als Gesprächpartner stand ihm mit Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie, Innovation und Politik an der ETH Zürich, ein versierter Kenner aus der Wissenschaft zur Seite. Die Krise, so wies Gersbach in seiner Einleitung hin, sei noch längst nicht vorbei, und weitere Erschütterungen seien nicht auszuschliessen. Gegenwärtig werde im Rahmen des Basler Ausschuss für Bankenaufsicht intensiv darüber diskutiert, wie die Finanzarchitektur künftig aussehen solle. "Wie diese neue Architektur genau aussehen wird, wissen wir noch nicht ", erklärte Gersbach. Im Wesentlichen geht es bei der Neugestaltung der Finanzarchitektur um drei Ziele: den Anlegerschutz verbessern, die Funktionstüchtigkeit der Märkte sicherstellen und die Finanzsysteme vor einem möglichen Zusammenbruch schützen. "Die gegenwärtige Krise hat uns drastisch vor Augen geführt, wie fragil unser Finanzsystem ist, denn die anfänglichen Verluste waren in einer Grössenordnung, die das System ohne Probleme hätte auffangen sollen."

Für alle überraschend

Ackermann zeigte in einem kurzen Rückblick auf, wie überraschend die Krise selbst für Insider kam. Die Finanzwelt habe verschiedene Faktoren massiv unterschätzt. Dazu gehört zum ersten die Globalisierung der Finanzmärkte. "Man ging davon aus, dass die Risiken weltweit verteilt sind und das System deshalb stabil sei. Wir dachten nicht daran, dass es Marktteilnehmer gab, die mehr Risiken auf sich genommen hatten, als sie tragen konnten." Der zweite Faktor war, dass durch die Verbriefung Risiken heute auf Wertpapiermärkten gehandelt werden und damit eine ganz andere Volatilität entsteht als früher. Der dritte Faktor schliesslich bezeichnete Ackermann als Atomisierung: "Wir haben kein Bankensystem mehr, sondern ein Finanzmarktsystem. Es gibt also nicht mehr wie früher einige wenige Investoren, sondern unzählig viele, deren Verhalten sich im Krisenfall nicht mehr koordinieren lässt. Als die Krise ausbrach, haben diese Investoren dann so reagiert, wie man eben nicht reagieren sollte: Es gab einen regelrechten Käuferstreik, und dadurch fielen die Preise ins Bodenlose."

Staaten reagierten richtig

Was kann man besser machen in Zukunft? "Zunächst einmal müssen wir versuchen, die gegenseitigen Abhängigkeiten zu reduzieren", meinte Ackermann. "Es darf nicht sein, dass bereits ein mittelgrosses Institut alle anderen Marktteilnehmer gefährden kann." Nötig seien auch strengere Liquiditätsvorschriften, um die Stabilität zu verbessern. "Man darf allerdings den Druck der Finanzmärkte nicht unterschätzen. Noch kurz vor Ausbruch der Krise monierten Analysten, die Deutsche Bank sei mit einem Eigenkapitalanteil von 9 Prozent überkapitalisiert", rief Ackermann in Erinnerung.

Einig waren sich Gersbach und Ackermann, dass die Regierungen in der Krise im Grossen und Ganzen richtig reagiert hätten. Ackermann lobte, die Schweizer Regierung habe die Krise der UBS sehr gut gemeistert. Gersbach rief in Erinnerung, dass es vor einem Jahr keine vorgefertigten Rezepte für das Krisenmanagement gab und die Regierungen gemeinsam mit den Notenbanken, den Finanzinstituten und den Wissenschaftlern innert kurzer Zeit Lösungen für hochkomplexe Probleme finden mussten. "Das Krisenmanagement muss man viel früher andenken, da steht auch die Wissenschaft in der Pflicht."

Das Unmögliche denken

Die Risikomodelle der Banken, die nun im Zuge der Krise so heftig kritisiert wurden, verteidigte Ackermann hingegen. "Zu 99 Prozent haben sich diese Modelle bewährt – doch nun hat halt eben das Restrisiko, das sich nie ausschliessen lässt, voll durchgeschlagen." Wer mit solchen Modellen arbeite müsse sich an ein paar Grundregeln halten: "Man muss zunächst immer den Nennwert im Auge behalten, also daran denken, um welche Summen es effektiv geht. Dann gilt es zu berücksichtigen, dass die Schwankungen viel, viel grösser sein können, als man sich das je vorstellt. Wenn es zu einem Käuferstreik kommt wie im letzten Herbst sind die sichersten Anlagen plötzlich nichts mehr wert." Und schliesslich brauche es auch eine ganzheitliche Sichtweise: "Es schadet nichts, wenn man die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge im Auge behält", brachte es Ackermann auf den Punkt. "Dann erkennt man nämlich sehr schnell, dass das, was zum Beispiel in den letzten Jahren in Dubai abgelaufen ist, alles andere als nachhaltig ist und eine Korrektur deshalb nicht ausbleiben konnte."

 
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